Ob ein Text lesefreundlich ist, hängt vor allem vom ausreichenden Abstand der Buchstaben ab, nicht von der Textgröße. Das haben nun Gehirnforscher der New York University herausgefunden und im Journal „Nature Neuroscience“ veröffentlicht.
Erst wenn der Raum zwischen Buchstaben einen Mindestwert überschritten hat, der als „kritischer Abstand“ bezeichnet wird, kann das Gehirn ohne Mühe lesen. Näher zusammengedrängte Buchstaben können hingegen nur schwer entschlüsselt werden.
Zwischenräume erkennen
Was fürs Lesen gilt, lässt sich überall im Alltag beobachten: Beim Erfassen von Werbeplakaten, auf der Suche nach Artikeln am Flohmarkt oder für das Ordnungsgefühl in den eigenen vier Wänden ist das Auge auf Zwischenräume angewiesen. Obwohl dies offensichtlich scheint, hat sich die Ansicht noch kaum durchgesetzt: „Die meisten haben die festgefahrene Meinung, die Sichtbarkeit hänge in erster Linie von der Größe ab,“ sagt Studienautor Denis Pelli, Psychologe an der New York University. Das Auge braucht große Abstände statt großer Schrift, sagen Forscher. Nun wurde erforscht, warum das so ist. Damit ein Objekt erkannt wird, wird es vom Auge erfasst und nach mehreren Kriterien analysiert, etwa nach Linien oder Ecken. Schwierig wird das, wenn der Hintergrund zu viel Ablenkung bietet: Bei großer Unordnung erhält das Gehirn zu viele Informationen, die alle miteinander kombiniert werden. In Folge fällt das Erkennen schwerer. „Einen Vogel am Himmel können wir mühelos beobachten, solange er nicht in einem Schwarm fliegt.“
Doch unsere visuelle Welt ist nicht geordnet, daher muss das Auge zuerst alles vom Hintergrund isolieren“, erklärt Pelli. Zur visuellen Erfassung benötigt das Gehirn Ordnung. Je weiter Objekte entfernt sind, desto größer muss ihr Abstand sein, um erkannt zu werden: Wer ein Buch aus größerer Distanz zu lesen versucht, sieht, dass die Buchstaben zusammenrücken und in der Menge verschwimmen. Wie groß der zum Lesen notwendige Zwischenraum genau ist, hängt immer vom Leser selbst ab: Mit zunehmendem Alter und Übung kann ein Kind immer kleinere Abstände wahrnehmen und erhöht dadurch deutlich sein Lesetempo.